Als Style Coach unterstützt Ingrid Angehrn Frauen dabei, ihre natürliche Schönheit aber vor allem ihre Persönlichkeit sichtbar zu machen. Ingrids Überzeugung: Styling sendet eine Message ganz ohne zu sprechen. Vorallem im Business ist es wichtig, dass die Message genau so ankommt wie sie gewünscht ist.
Branding Farben vs. Farben, die dir zu Gesicht stehen
Wie ist das für Personal Brands: muss ich meine Brandfarben tragen können? Müssen sie mir zu Gesicht stehen? Oder ist es gar umgekehrt: das, was mir zu Gesicht steht, sollen meine Unternehmens-Farben werden?
Ingrid Angehrn: Wenn jemand frisch in die Selbständigkeit startet, sollte zuerst Klarheit über das Business herrschen. Stell dir dazu Fragen wie z.B. „wie möchte ich im Business wahrgenommen werden?“ Lass dir nach diesen Überlegungen ein professionelles Brand Design entwickeln, mit darauf abgestimmten Farben.
Erst dann überlegst du dir die Kleidung für dein Business, was du zu Terminen trägst oder was du auf den Fotos für deine Website anziehst. Wenn du dich rein darauf konzentrierst, was dir als Person steht, ist das zu eng gedacht. Dein Branding muss schließlich auch ohne dein Gesicht wirken und deine Business Farben ohne ein Foto von dir deine Message rüberbringen.
Darüberhinaus sind wir im Branding ja meist sehr zugespitzt, wir wollen vielleicht eine spezielle Aussage treffen, eine spezielle Zielgruppe ansprechen. Als Person sind wir da variantenreicher und flexibler.
Kleidung als Message: Caroline Preuss zieht mit ihrem Stil eine junge, rein weibliche Zielgruppe an. Ihre Farben gehen in Richtung Pop-Kultur, sie wirkt humorvoll und witzig. Ihre Instagram Posts haben einen hohen Wiedererkennungswert. Neben gelben und rosa Kleidungsstücken trägt sie außerdem weiß und schwarz.
Mit Kleidung ausstrahlen, wer man ist
Dir geht es bei der Mode um das Gefühl, man selbst zu sein. Auszustrahlen, wer man ist. Wie beginnst du dein Style Coaching zu diesem Gefühl?
Ingrid Angehrn: Natürlich schaue auch ich auf die Haare, Haut, Augen meiner Kundinnen, aber es ist mir genauso wichtig, die Persönlichkeit mit einzubeziehen. Deshalb beginne ich jede Beratung mit einem ausführlichen Fragebogen und möchte wissen, was ist das für ein Mensch? Eher lebhaft oder bedacht? Wo will der hin, wie möchte der wahrgenommen werden?
Wenn wir nur auf die Äußerlichkeiten (Haare, Haut, Augen) achten, kann das z.B. passieren, dass jemand mit dunklen Haaren und strahlend blauen Augen, zu leuchtenden auffälligen Farben geraten wird. Und das sieht auf den ersten Blick vielleicht gut aus. Aber wenn das eine zurückhaltende, bedachte Person ist, wird die sich mit solchen Farben total überfordert fühlen.
Die vier Jahreszeiten – raus aus der Schublade
Viele Frauen verzweifeln an der Frage „welche Farben stehen mir?“ und so manche hat schon versucht, ihren Typ anhand der vier Jahreszeiten zu bestimmen.
Ingrid Angehrn: Die Jahreszeiten sind nicht nur relativ schwer selbst zu bestimmen, sondern sie greifen auch viel zu kurz. Wie soll denn die Individualität von uns Menschen in eine von vier Jahreszeiten passen? Das kann nur ein Schubladensystem sein, dem nicht nur wir, sondern auch die Vielfalt der Mode nicht ansatzweise gerecht werden kann. Schließlich sind Äußerlichkeiten meiner Meinung nach eben nur ein Aspekt, eine Frau mit Kleidung zu unterstützen. Das Potenzial liegt doch darin, das Besondere an jeder einzelnen sichtbar zu machen.
Dennoch gibt es Farben, die der einen besser stehen als der anderen. Grob gesagt unterscheidet man je nach Hautton kühle und warme Typen. Ein warmer Teint hat gelbe Untertöne, wohingegen ein kühler Teint rosafarbene Untertöne hat. Den kühlen Typen stehen Farben mit Blaustich, also neben den Blautönen z.B. Lila, Bordeaux-Rot oder Himmbeer, während den warmen Typen Farben mit Gelbstich stehen, z.B. Koralle oder Lachs.
Um wirklich gut zu erkennen, ob man nun einen warmen oder kalten Hautton hat, hilft es, sich zu vergleichen. Also mehrere Menschen nebeneinander vor den Spiegel zu bitten. Und das bei Tageslicht! Im Vergleich sieht man es oft viel besser. Sollte das Ergebnis nicht eindeutig erkennbar sein, ist das total okay – es gibt sehr ausgeglichene Haut-Typen, denen steht dann eben vieles.
Hilfe! Wie geht Business-Kleidung?
Welche Fehler siehst du häufig beim Thema Business-outfit?
Ingrid Angehrn: Was Business-Outfits anbelangt haben Frauen oft einen Respekt. Da kommt plötzlich ein Gefühl hoch von „Ich muss mich verkleiden, ich muss jetzt Business ausstrahlen“. Da vergessen sie schnell „wer bin ich und was will ich“, und dann greift jemand vielleicht aus Unsicherheit auf den schwarzer Blazer oder das weiße Hemd zurück.
Dabei ist schwarz so wie weiß eine total harte Farbe, das steht den meisten Mitteleuropäerinnen nicht. So harte Farben betonen die Augenringe. Ein reinweißes Hemd macht die Augen müde, weil es viel weißer ist als die Augen und somit die Augen optisch trüber macht als sie eigentlich sind. Unsere Augen sind ja nicht so weiß wie wir glauben, und ein weißes Hemd betont das gnadenlos. Wenn es sehr hell sein soll, dann besser zu cremeweiß greifen.
Sigruns ganzer Auftritt signalisiert „Power!“. Die erfolgreiche isländische Business Coach steht für Gender Equality und leitet zahllose selbständige Frauen dazu an, selbstbewusst ihre Expertise zu vermarkten. Da ist sie mit der Farbe Rot in Kleidung und Brand Design natürlich gut bedient. Sigruns Auftritt fällt auf – ihre Beiträge werden im Social Media Feed sofort gesehen. Das passt, weil Sigrun selbst extrovertiert ist. Mit dieser Wahl der Brand- und Kleidungsfarben wünscht sich Sigrun eventuell auch diesen Menschenschlag. Sie möchte die Macher anziehen. Die, die aus sich rausgehen, und schreckt damit auch gleich die ab, die mit einer solchen Präsenz nichts anfangen können.
Mit Kleidung meine Message unterstreichen
Wie taste ich mich daran, die richtige Kleidung für meine „Rolle“ als Selbständige zu finden?
Ingrid Angehrn: Die richtige Wahl der Kleidung unterstützt meine Message. Möchte ich z.B. repräsentieren und Autorität ausstrahlen, greife ich auf völlig andere Kleidung zurück als wenn ich ansprechbar und nahbar wirken möchte.
Liegt der Fokus auf den Themen Verhandlung und Durchsetzen, dann wähle ich hohe Kontraste. Je mehr Kontrast meine Kleidung hat, desto mehr Dominanz und Glaubwürdigkeit nehme ich ein. Das kann ein hell-dunkel Kontrast sein, aber auch Farbkontraste. Wir kennen das aus der Corporate Welt: je weißer das Shirt, desto höher die Hierarchie. Der Chef trägt weißes Hemd und einen dunklen Anzug, im mittleren Management können auch blaue Hemden und hellere Anzüge getragen werden.
Liegt der Fokus hingegen auf den Themen Empathie und Beratung, dann wähle ich geringe Kontraste. Das kann farblich Ton in Ton sein, oder aber in der Gesamterscheinung im hellen oder dunklen Bereich. Ich arbeite oft mit Coaches zusammen. Wenn sie z.B. mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu tun haben, rate ich ihnen von kräftigen Farben ab. Gerade Orange und Rot können da alarmierend und einschüchternd wirken. Und ist meine Intention „öffne dich, rede mit mir“, dann ist das natürlich kontraproduktiv.
Wenn ich freundlich und nahbar wirken möchte, empfehle ich da eher die Palette Grün und mittleres Blau, und Cremetöne, die wirken beruhigend.
Durch gezielte Wahl der Kleidung kann ich meine Wirkung steuern. Will ich bewusst Distanz schaffen, style ich mich komplett anders, als wenn ich zugänglich wirken will.
Tipps für selbständige Frauen im Dienstleistungsbereich
Sagen wir ich möchte freundlich und nahbar wirken, casual, aber eben nicht wie auf der Sonntags-Couch. Was sind da deine Tipps?
Ingrid Angehrn: Wenn ich zugänglich wirken will, ist alles grob strukturierte, das große Schultern erzeugt, nicht das richtige. Somit fällt der schulterbetonte Blazer in den meisten Fällen mal raus. Aber es gibt total tolle, ungefütterte und leichte Blazer in allen Farben, da kann man gut ausweichen.
Was auch schick aussieht, ist ein gepflegter Rollkragenpullover. Oder eine Hemdbluse. Eine Hemdbluse hat einen Kragen. Der Kragen gibt mir den Code „nicht privat“, während es durch einen oversized Schnitt locker und weich wirken kann. Dabei gilt: je passgenauer geschnitten, desto strenger wirkt es. Je weiter und luftiger der Schnitt und lockerer das Material, desto weicher wirke ich. Kremple ich nun auch noch die Ärmel hoch, wirke ich natürlich nochmal legerer. Mit solchen Details gilt es zu spielen.
Meinen Kundinnen mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Ökologie rate ich immer diesen inhaltlichen Aspekt durch das Material zu kommunizieren und zum Beispiel eine Leinenbluse oder -hose zu nehmen. Und wo wir beim Thema Natürlichkeit sind: Es muss nicht immer eine Bluse oder ein Blazer sein. Keine Angst vor Schlichtheit – ein schönes T-Shirt ist vollkommen okay! Gerade wenn man aus dem Bereich Wellness kommt oder das Thema Natürlichkeit betonen möchte.
klare Wirkung
Du hast ein umfassendes Angebot und kommst ins Stocken, wenn du dein Business kurz und knackig auf den Punkt bringen sollst?
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Branding Farben für Website-Fotos?
Soll ich auf den Website-Fotos meine Brandfarben tragen?
Ingrid Angehrn: Es kann sehr übertrieben und unauthentisch wirken, wenn jemand von Kopf bis Fuß in den Brand-Farben gekleidet ist, und auch noch sämtliche Accessoires von Kaffeetasse bis Kugelschreiber und Bildhintergrund sind ebenso in denselben Tönen.
Bei der Wahl der richtigen Kleidung für Unternehmensfotos geht es mir darum, die Frau frisch aussehen zu lassen. Fit und kraftvoll, und dadurch anziehend für andere. Dabei wähle ich natürlich keine Farben, die den anderen müde und abgespannt wirken lassen. Das heißt, auf Biegen und Brechen die Unternehmens-Farben anziehen zu wollen, macht keinen Sinn.
Wenn die Brand-Farben wirklich etwas anderes sind, als der Frau zu Gesicht steht, dann kann man die mit Details ins Bild bringen. Zum Beispiel durch ein farbiges Notizbuch oder Blumen auf dem Schreibtisch. Dann gliedern sich auch die Fotos harmonischer in die Website ein. Da geht es wirklich um kleine Details. Deswegen muss ich mich nicht ausschließlich in Brand-Farben anziehen.
Und selbst wenn die Farben der Frau gut zu Gesicht stehen, heißt das keineswegs, dass man eine Bluse in der Farbe anziehen muss! Das kann schnell too much sein. Ein farbiges Top unter einem Cardigan, Nagellack und Schuhe in Brand-Farben können da Akzente geben. Oft merke ich, dass die Kundinnen sehr verliebt in ihre Unternehmens-Farben sind und das unbedingt unterbringen wollen. Ich bremse da gerne ein – und rate dazu, die Farben in kleinen Dosen unterzubringen. Die können sich im Foto durchaus unterordnen.
Amy Porterfield trägt keinesweg immer dieselbe Kleidung. Auch ihre Posts auf Instagram haben unterschiedliche Farben, allerdings ähnlich hell und immer etwas pastellig. Für Wiedererkennung sorgt Amy, typisch US-amerikanisch, durch ihre stets perfekt gestylten Haare und ihr strahlendes Lächeln.
Kleidung als Wiedererkennungselement
Soll ich auf Unternehmensfotos für Website und Social Media immer Ähnliches tragen wegen der Wiedererkennung?
Ingrid Angehrn: Man muss nicht wie eine Uniform immer das gleich anhaben, aber ein gewisser Wiedererkennungswert macht durchaus Sinn. Gerade wenn man mit seinem Business auf Social Media aktiv ist, macht es Sinn, dass man im Feed wiedererkannt wird. Heißt z.B. wenn du eine auffälligere Brille trägst, habe sie auf Fotos immer auf, nicht einmal mit einmal ohne.
Beständigkeit ist ein wichtiges Thema. Beständigkeit baut Vertrauen auf. Gerade wenn es darum geht, in jemanden Geld zu investieren, wollen die meisten Menschen wissen, was sie bekommen. Da ist es vorteilhafter, eine Linie zu fahren, als allzu facettenreich zu sein und eventuell zu verwirren. Das muss nicht heißen, immer dieselbe Bluse, aber im Großen und Ganzen beim selben Level bleiben, was die Formalität anbelangt.
Neben dem Grad an Formalität tut man gut daran, innerhalb einer gewissen Helligkeit zu bleiben. Sagen wir, jemand ist in den hellen Tönen zu Hause, da fällt das natürlich auf, wenn ein Foto in einer dunklen Bluse dazwischen ist. Besser ist es da innerhalb derselben Helligkeit zu variieren. Also verschiedene helle Töne zu probieren, während das Gefühl der Leichtigkeit erhalten bleibt. Oder wenn jemand in den gedeckten, dunklen Tönen gut aussieht, dann kann man z.B. mal ein Brombeer, mal ein Dunkelblau probieren. Aber das Feeling „moody“ bleibt dasselbe.
Fazit: Muss ich meine Brandfarben in der Kleidung tragen?
Nein, du musst nicht partout auf Website-Fotos Kleidung in deinen Brandfarben tragen. Ein paar Akzente auf dem Foto in der entsprechenden Farbe sind gut, der komplette Look in Brandfarben wirkt schnell too much (es sei denn, das ist dein Wunsch, besonders auffallend zu sein).
Nicht jeder stehen alle Farben zu Gesicht, darum Vorsicht mit der Bluse in der Brandfarbe. Details im Foto wie Notizbuch, Blumen oder Schuhe können die Farbe auch ohne Kleidung ins Foto bringen.