Der perfekte Alltag?
Billas „Frisch gekocht“, die Dezember-Ausgabe. Eine junge Frau hält einen Keks fest, während sie mit der anderen Hand aus einer Spritztüte Zuckerglasur drauf spritzt. Soweit, so weihnachtlich-alltäglich.
Die Spritztüte besteht aus das-kannst-du-schnell-selber-basteln zusammengerolltem Backpapier (hat bei mir noch nie funktioniert), aus der die Zuckerglasur auf den gezeigten Keksen garantiert nicht rausgekommen ist. Die Kekse sind mit einem Muster dekoriert, das der Fensterbauweise einer gotischen Kirche Konkurrenz macht, und die Fingernägel der guten Frau in rosa Kaschmir-Pulli sind natürlich auch perfekt manikürt. Abgesehen davon ist die Arbeitsfläche mit Christbaumkugeln, goldener Schere und Zwirn sowie Plastik-Streudekor versehen (was man halt so braucht beim Keksebacken).
Irgendwo zwischen gestellt und „authentisch“
„Ja, aber das ist doch jedem klar, dass das in einem Magazin gestellt ist“, sagst du vielleicht, und damit hast du natürlich recht. Aber weißt du, wieviele ähnlich gestellte Fotos ich auf Webseiten von Selbständigen finde?
Wo sich Menschen plötzlich extra für ein Foto in ein Outfit schmeissen, das sie sonst nie anziehen würden, sich in ein Zimmer setzen, in dem sie sonst nie sitzen, oder im schlimmsten Fall auf gekaufte Fotos zurück greifen, die irgendwas zeigen, nur nichts, was mit ihnen zu tun hat?
Versteh mich nicht falsch, es ist vollkommen klar, dass es in unserer Entscheidung bleiben soll und muss, was raus geht und wie. Ich sag nicht, dass du dich nicht schminken sollst, oder was Tolles fürs Foto anziehen sollst, aber ich sehe zu viele Fotos, auf denen Menschen eine Rolle spielen, oder – genauso schlimm – Webseiten, auf denen bis auf ein kleines Passfoto des Selbständigen, nur 0815-Bilddatenbank-Fotos zu finden sind.
Niemand will im Billa-Magazin die misslungenen Kekse sehen, wie sie zu 80% so halt werden (und die dann trotzdem gut schmecken), niemand will die verklebte Küchenoberfläche oder die Frau mit fettigen Fingern sehen. Aber ein bisschen weniger realitätsfern, ein klitzekleines bisschen authentischer wäre doch fein!
Klinge ich so wie ich?
Das Grad an Authentizität muss jede dabei für sich und für ihr Business selbst definieren. Dass eine Ernährungsberaterin für Kinder mehr von sich und ihrem familiären Umfeld zeigen kann als eine Expertin für Menschenrechte liegt auf der Hand. Aber es lohnt sich doch, sich in seiner gesamten Außenkommunikation (bei der Erstellung der Webseite, den Fotos, dem Text, beim Posten auf Facebook und Co etc.) zu fragen: „Hat das was mit mir zu tun?“, „Welche Rolle spiele ich da, und passt die zu mir?“ und auch „Klinge ich so wie ich, oder sag ich das jetzt, weil das alle sagen?“
Was ist nämlich passiert, als ich das Foto im „Frisch gekocht“ aufgeschlagen habe? Meine Tochter, vier Jahre alt, wollte unbedingt „auch so schöne Kekse backen“. Ich wollte das dumme Heft einfach nur schnell zumachen. Ganz einfach, weil diese ganze Perfektheit genau nichts mit einer normalen Keksebacken-Realität zu tun hat.
Zeig, was dir wichtig ist und dich bewegt
Denkt dran, dass auch euer Auftritt – eure Website, euer Facebook-Post, eure Videos – vielleicht genauso schnell wieder zugemacht, weggeklickt, weggedrückt werden können. Wenn das, was ihr darstellt, nur Fassade ist und tatsächlich nur ganz wenig damit zu tun hat, wie ihr wirklich seid, was euch wirklich bewegt, was euch wichtig ist und was auch für eure Kunden wichtig ist.
Der beste Auftritt ist der, der das zeigt, was für andere Bedeutung hat. Und das bist du mit deinen Leistungen und deiner Motivation. Ohne Zuckerglasur und Glitzerstreuseln.
Fröhliche, unperfekte Weihnachten euch allen!